Die Lebensbedingungen der polnischen Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft
Die meisten polnischen Zwangsarbeiter wurden nach ihrer Ankunft in Deutschland der Land- oder Forstwirtschaft zugeteilt, da dort der Verlust der Männer am deutlichsten zu spüren war.
Die meisten wohnten direkt auf den Bauernhöfen, da die Lager, in denen sie nach ihrer Deportation untergebracht wurden, eine zu weite Entfernung zu dem jeweiligen landwirtschaftlichen Betrieb hatte. Viele ehemalige Zwangsarbeiter erzählen, dass sie sich sehr glücklich schätzten, nicht in einer Fabrik arbeiten zu müssen. Sie berichten von einem eigenen Bett, manchmal sogar von einem eigenen Raum. Obwohl das natürlich verboten war. 1 Sie sollten am besten im Stall schlafen und es sollte so wenig Kontakt wie möglich gepflegt werden, heißt es laut der badischen Landesbauernschaft. 2
Zumeist bekamen sie auf den Höfen auch vernünftige Mahlzeiten, denn die Bauersleute sahen ein, dass die Zwangsarbeiter besser arbeiteten, wenn sie, durch das Essen, genug Kräfte für die schwere Arbeit hatten. Die meisten Familien sahen die Zwangsarbeiter irgendwann nicht mehr als minderwertige Polen, sonder eher als Knechte und Mägde an. Deshalb ließen sie sie oft auch am gleichen Tisch essen, trotz der Gefahr, angezeigt zu werden. Denn laut dem so genannten Polenerlass vom 8. März 1940 mussten polnische Zwangsarbeiter weniger und/oder schlechtere Verpflegung als Deutsche erhalten. Und sie durften schon gar nicht mit ihnen am gleichen Tisch sitzen.
Weitere Vorschriften waren zum Beispiel:
- Zwangsarbeiter mussten auf der Brust das Polenabzeichen tragen
- sie durften ihren Aufenthaltsort nicht verlassen
- sie durften keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, noch nicht einmal Fahrräder
- sie hatten ab der Dämmerung Ausgangssperre
- Zwangsarbeitern war es verboten in Gaststätten oder Tanzveranstaltungen zu betreten
- Deutschen und Polen war es nicht gestattet in irgendwelcher Weise näheren Kontakt aufzubauen. Sie durften noch nicht einmal zusammen in die Kirche gehen.
- körperlicher Kontakt zwischen Zwangsarbeitern und Deutschen war streng untersagt und konnte zu einer öffentlichen Hinrichtung und KZ- Einweisung führen 3
Zum Beispiel verdanken wir Ralf Hochhuth die Kenntnis des mittlerweile bekanntesten Falles, der Liebe zwischen einer Soldatenfrau aus Brombach zu einem polnischen Kriegsgefangenen. Eine Freundin der Frau denunzierte die beiden, der Pole wurde in Anwesenheit aller Polen der Umgebung und vieler Ortsbewohner in einem Steinbruch gehenkt, die Frau kam für Jahre in ein Konzentrationslager. 4
Doch ließ sich die Einhaltung dieser Verbote, vor allem in ländlichen Gegenden, nicht sehr gut kontrollieren.
Besonders unter Pfarrern gab es viele, die keinen Unterschied machten und den polnischen Zwangsarbeitern halfen, wo sie nur konnten. Manche hielten eigens Gottesdienste für Polen ab. Dadurch kamen einige der Geistlichen ins Konzentrationslager. 5
Doch nicht alle hatten so viel Glück und kamen zu guten Menschen. Viele polnische Zwangsarbeiter mussten Schreckliches ertragen. Die Leute, denen der Bauernhof gehörte, hatten sehr viel Macht über die Zwangsarbeiter. Wenn die Besitzer der Meinung waren, dass sie zu langsam arbeiteten, so war es ihnen erlaubt „ihre Zwangsarbeiter“ zu schlagen. Obwohl sie eine schriftliche Beschwerde einreichen konnten, wurde ihr Schicksal dadurch nur sehr selten verbessert.
Trotz allem wurden manche Kriegsgefangene, besonders gegen Ende des Krieges, die durch Unterernährung und Krankheiten geschwächt waren, erst einmal auf Bauernhöfe gebracht, damit sie dort von den Bewohnern wieder „aufgepäppelt“ werden konnten. Sobald sie wieder bei Kräften waren, wurden sie erneut zum Arbeiten eingeteilt.
Das Leben im Lager
1944 gab es allein in Baden 834 Lager für die Zwangsarbeiter, die in Fabriken arbeiten mussten. Dazu kommen noch die rund 1000 Lager der Kriegsgefangenen und die der anderweitig beschäftigten Arbeiter. Alle möglichen Gebäude wurden bei Bedarf schnell in ein Lager umgewandelt. Meistens wurden Baracken verwendet, aber auch Fabrikhallen, Schulen und Gasthäuser. 6
Es gab zwei Stammlager in Baden. Eines war in Villingen und das zweite befand sich zuerst in Baden-Baden, bevor es nach Offenburg verlegt wurde. 7 Von dort aus wurden die Menschen, nach ihrer Deportation, an die vielen Außenlager in der Nähe von Fabriken verteilt.
Polnische Zwangsarbeiter mussten auf engstem Raum in den Lagern zusammen leben. Oft schliefen 20 bis 25 Menschen in einem Wohnraum, der nur mit doppel- oder dreistöckigen Betten, einem Tisch, Stühlen oder Bänken und einem Spind ausgestattet war. Überall gab es Läuse, Flöhe und Wanzen. Der Umstand, dass die meisten keine Kleidung zum Wechseln besaßen, verschlimmerte die Hygiene in den Lagern.
Die Verpflegung beschränkte sich auf das Minimum. Am Tag gab es warmes Wasser, indem Kohlrübenstückchen schwammen. Dazu wurde „Russenbrot“ verteilt, das aus Zuckerrübenmehl und anderen Ersatzstoffen bestand. Sehr selten war auch die Verteilung von Zigaretten. Vitalij Sjomin schrieb: „Im Lager wird nicht gewohnt. Das Lager ist die Fortsetzung der Fabrik. Der Mensch arbeitet in der Fabrik, dann wird er ins Lager befördert, damit er sich wieder für die Arbeit rüsten kann.“ 8
Oft genug gab es nur unzureichende sanitäre Einrichtungen. Und die Kranken mussten in irgendwelchen freien Räumen untersucht werden, da keine Krankenzimmer vorhanden waren.
Zwangsarbeiter waren vollkommen ihrem jeweiligen Lagerleiter ausgeliefert und hatten keine Möglichkeit sich gegen ihn aufzulehnen. Versuchte es trotzdem einer, so wurde er sofort hart bestraft.
Zudem hatten Polen, nach der Arbeitszeit Ausgangssperre. Sie durften nur an zwei Sonntagen im Monat für ein paar Stunden, unter strenger Bewachung, das mit Stacheldraht umzäunte Gelände verlassen.9
Der Lohn der Zwangsarbeiter war sehr niedrig. Doch selbst von diesem kleinen Betrag, von manchmal nur zwei bis drei Pfennig in der Stunde, wurde ihnen noch die Kosten für Unterkunft und Verpflegung wieder abgenommen. Zudem wurde den Lagerbewohnern ihr Lohn in Lagergeld ausgezahlt, das die meisten Geschäfte außerhalb des Lagers gar nicht annahmen.10
Die deutschen Banken boten allen Zwangsarbeitern einen Lohntransfer und vermögenswirksame Sparverträge an, um das Geld wieder in die eigenen Kassen zu bekommen. Das Geld, es handelte sich um Milliardenbeträge, wurde für Besatzungsschulden und für Staatsaufträge an die Rüstungskonzerne verwendet. Nur sehr selten bekam ein Zwangsarbeiter sein Erspartes jemals wieder.11
Arbeitsbedingungen von polnischen Zwangsarbeitern in der Landwirtschaft
Polnische Zwangsarbeiter mussten meistens die minderqualifizierten, schwersten und schmutzigsten Arbeiten verrichten. Sie mussten 10-14 Stunden am Tag schuften, auch unter den schlechtesten Bedingungen. Selbst bei Frauen, Halbwüchsigen und Kindern wurde keine Ausnahme geduldet. Oft musste bis zur Erschöpfung gearbeitet werden. Allerdings sind gerade in der Landwirtschaft die Lebensbedingungen schwer allgemein zu beurteilen, da die einzelnen Höfe unterschiedlichen Umgang mit ihren zugeteilten Zwangsarbeitern pflegten. Allgemein kann deshalb nur davon gesprochen werden, dass der Ernährungszustand der Arbeiter in der Regel als gut zu betrachten ist. Dies ist allerdings nicht der Nächstenliebe der deutschen Hofbesitzer geschuldet, vielmehr konnte nur durch einen guten Gesundheitszustand die Erfüllung der schweren landwirtschaftlichen Arbeit sichergestellt werden.
Gerade nach dem Krieg wurden diese unterschiedlichen Facetten deutlich. So gab es zahlreiche Plünderungen von Höfen – es kam aber eben auch zu Schutzhandlungen, bei denen die nun freien Zwangsarbeiter „ihre“ Höfe vor alliierten Soldaten schützten. In Einzelfällen kam es nach dem Krieg sogar zu Hochzeiten zwischen deutschen und polnischen Bediensteten.
[1] Vgl. Boll, Bernd, Zwangsarbeiter in Baden 1939-1945, S. 530
[2] Vgl. Boll, Bernd, Zwangsarbeiter in Baden 1939-1945, S. 527
[3]Vgl. Boll, Bernd, Zwangsarbeiter in Baden 1939-1945,
S. 572 und http://de.wikipedia.org/wiki/Polen-Erlasse
[4] Vgl. Boll, Bernd, Zwangsarbeiter in Baden 1939-1945, S. 531
[5] Vgl. Boll, Bernd, Zwangsarbeiter in Baden 1939-1945, S. 513
[6] Boll, Bernd, Zwangsarbeiter in Baden 1939-1945, S. 530
[7] Vgl. Boll, Bernd, Zwangsarbeiter in Baden 1939-1945, S. 525
[8] Vgl. Boll, Bernd, Zwangsarbeiter in Baden 1939-1945, S. 529
[9] Vgl. Boll, Bernd, Zwangsarbeiter in Baden 1939-1945, S. 530
[10] Boll Bernd, Zwangsarbeiter in Baden 1939-1945, S. 529
[11] Boll Bernd, Zwangsarbeiter in Baden 1939-1945, S. 529
Aufsätze
Aufsatz Nr.1
Allgemeine Einführung & Hintergründe zur Zwangsarbeit
Aufsatz Nr. 2
Die Lebensbedingungen der polnischen Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft
Aufstatz Nr.3
Verweigerung, Flucht und Widerstand
Aufsatz Nr.4
Das Ende der Zwangsarbeit in Baden und dem Schwarzwald
Aufsatz Nr.5
Entschädigung der Zwangsarbeiter nach der Zeit des deutschen National- sozialismus