Entschädigung der Zwangsarbeiter nach der Zeit
des deutschen Nationalsozialismus
Allgemein:
Die wenigen Zwangsarbeiter, die überlebt haben, haben viele qualvolle Jahre Nazidiktatur hinter sich. Sie wurden stark misshandelt und mussten bis zum Umfallen arbeiten. Es gab keine Pausen, schlechte Verpflegung und miserable Unterkünfte. Ihre Jugend wurde zerstört und ihre Gesundheit ruiniert.
Nun bekamen die Opfer nach lagen 55 Jahren endlich ein Entschädigung vom Staat. Nicht als wirkliche Entschädigung sondern als „Geste des guten Willens“1. Das Geld wurde erst nach langen Antragsprüfungen an die Opfer gezahlt, aber bis es zu einer wirklichen Zahlung kam, waren schon viele ehemalige Zwangsarbeiter gestorben. Doch es hat viele mit Deutschland „versöhnt“. Trotzdem waren einige der Meinung, dass diese Geste zu spät kam und dass es zu wenig Geld sei.
Wann wurden die Opfer entschädigt?
Endlich, nach 55 Jahren, bekamen Zwangsarbeiter des deutschen Nationalsozialismus eine Endschädigung für ihr Leid in der damaligen Zeit2. Jedoch gab es lange Diskussionen ob und wie viel gezahlt werden soll.
Im Jahre 1953 wurden im „Londoner Schuldenabkommen“ die Reparationsansprüche verschoben.
Später, 1998, wurde der Kanzler Helmut Kohl gefragt, ob eine Entschädigung an die NS-Zwangsarbeiter gezahlt werden soll er meinte hierzu „Wenn Sie glauben, ich würde die Bundeskasse noch einmal aufmachen, dann ist die Antwort nein.“3. Bis dorthin, wurden nach langen Debatten, nur pauschale Zahlungen für die KZ-Toten an den Staat Israel und an verschiedene osteuropäische Länder gezahlt4. Und außerdem, warum sollte sich Deutschland damit abgeben wenn sich das Problem auf biologische Weise von alleine löst?
Einige Monate später nahm die rot-grüne Koalition unter Gerhard Schröder die Frage wieder auf und machte es zu ihrem Anliegen. Gerhard Schröder wollte „den Millionen von Zwangs- und Sklavenarbeitern Nazi-Deutschland wenigstens mit einer materiellen Geste zu zeigen, dass ihr Leiden nicht länger verdrängt oder vergessen war.“5 Nach langen Diskussionen kamen 5 Milliarden € zusammen, die teils vom Bund, teils von der deutsche Wirtschaft, die damals von den Zwangsarbeitern so gut profitiert hat, gezahlt werden sollte.
Schon nach den Bundestagswahlen vereinbarte die Koalition eine Bundesstiftung Entschädigung für NS- Zwangsarbeit auf die Beine zu stellen. Dies geschah aber nur, weil sie damals unter Druck gesetzt wurden. Die USA hatte 60 Sammelklagen gegen deutsche Unternehmen gesammelt, um diese zu Entschädigungszahlungen zu zwingen. Dies wurde von den Unternehmen als Geschäftsrisiko gesehen6.
1999 wurde die Stiftungsinitiative "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" gegründet. Währenddessen versuchte Otto Graf Lambsdorff die USA dazu zu bewegen, die Sammelklagen zurückzunehmen. Die deutsche Wirtschaft wäre erst bereit zu zahlen, wenn die USA die Klagen zurücknehmen würden. Es folgten Proteste.
Erst ein Jahr später, im Juni 2000, wurde das deutsch-amerikanische Regierungsabkommen unterzeichnet. Das Gesetz über die Einrichtung der Stiftung trat erst am 12. August in Kraft.7 Nun war die Stiftung dafür verantwortlich die Höhe der Entschädigung für die ehemaligen Zwangsarbeiter aus den 5 Milliarden € festzulegen, dass dann an die jeweiligen Länder geschickt wurde.
Doch woher nehmen und nicht stehlen? Noch im Sommer 2000 fehlte das Geld. Der Bund würde seinen Teil bezahlen, aber die deutsche Wirtschaft nicht. Ihr Argument hierzu lautete: „in der heutigen Form haben wir damals gar nicht existiert.“8 Doch die Stiftung akzeptierte dieses Argument nicht. Sie schickten 240000 Briefe an verschiedenste Unternehmer. Dann, erst im Oktober 2000, hatten sie gerade einmal 1.6 Milliarden € eingesammelt. Immer noch viel zu wenig. Doch am Ende schafften sie es die 2,5 Milliarden € mit etwas Verspätung einzusammeln.9
Noch ein ganzes Jahr hatte es gedauert, bis das Geld eingesammelt war und die Opfer ihre Entschädigung bekamen. Erst 2001, nachdem jeder Antrag sorgfältig geprüft wurde (siehe „Vom Antrag bis zum Geld“ ), erhielten sie ihr Geld. Für manche kam es dennoch zu spät, denn 10 % der ehemaligen NS-Zwangsarbeiter starben in dem Zeitraum zwischen 1998 und 2001.
Vom Antrag bis zum Geld
Erst einmal mussten die Betroffenen einen Antrag stellen, die Polen hatten Zeit bis zum 11. April 2001. Diese Anträge nahmen die insgesamt sieben Partnerorganisationen in den betroffenen Ländern entgegen.
Es war oft sehr schwierig nachzuweisen, dass man ein Zwangsarbeiter war. Doch „die Ordnungswut der Nationalsozialisten“10 half vielen dies zu beweisen. Denn durch Arbeitsbücher, Krankenkarten oder Meldelisten wurde der Nachweis meistens geklärt. Wenn der Zwangsarbeiter nun keine solchen Nachweise hatte oder zu wenige, half ihm die Partnerorganisation, indem sie den Suchdienst des Internationalen Roten Kreuzes im hessischen Arolsen11 um Hilfe bat. Auch andere Organisationen, wie zum Beispiel der Bundesverband Information und Beratung für NS- Verfolgte sowie das Bundesarchiv in Koblenz halfen ihnen.
Wenn die Nachweise aufgebracht waren, konnten die Partnerorganisationen den Antrag bewilligen. Danach „muss er noch durch die EDV ( Elektronische Datenverarbeitung ) der Bundesstiftung laufen, um Doppelungen auszuschließen“12, denn einer, der berechtigt war, einen Antrag zu stellen, konnte theoretisch bei verschiedenen Partnerorganisationen Anträge stellen. Keinen Anspruch hatten Personen, die schon Entschädigungsleistungen bekommen hatten, egal ob diese von Firmen oder vom Staat kam. Auch Stichproben wurden durchgeführt, selbst bei Partnerorganisationen, die vor Ort waren und ihre Anträge positiv beurteilt hatten.
Erst wenn diese Stationen alle durchlaufen waren, kamen die Zwangsarbeiter zu ihrem Geld. Nicht jeder bekam gleich viel Geld. So bekamen die Zwangsarbeiter, die in einem gewerblichen Unternehmen waren, mehr Geld als die, die in der Landwirtschaft oder im Haushalt tätig waren. Die Summen lagen zwischen 1000 und 15000 Mark. Wenn es jedoch mehr Anträge als geplant gab, bekam jeder weniger Geld. Denn in dem „Geldtopf“ waren nur 5 Milliarden € vorhanden und auch nur soviel konnte ausgezahlt werden.
Antragskriterien
Um Geld zu bekommen, mussten die Zwangsarbeiter an die Stiftung einen Antrag stellen.
„(1) Deportation in ein Territorium außerhalb ihres Heimatlandes,
(2) Zwangsarbeit in Deutschland oder deutsch besetztem Gebiet in der Industrie oder im Dienstleistungssektor (ohne Häusliche Dienstleistungen, aber incl. öffentlicher Hand) und
(3) besonders schlechte Lebensbedingungen.“13
Allen Antragstellern wurde normalerweise geglaubt, dass die 1. und die 3. Bedingung erfüllt waren. Die 2. Bedingung, dass sie überhaupt Zwangsarbeiter waren, mussten sie jedoch so gut begründen, dass es bei der Stiftung glaubhaft ankam.
Die Berechtigung einen Antrag zu stellen, hatten nur selbst Betroffene oder deren Erben, „...insoweit erstere am 15. Februar 1999, dem Tag vor der Stiftungsinitiative, am Leben waren.“14
Die Auszahlung des Geldes sollte so schnell wie möglich verlaufen. Und dies sollte nicht durch lang anhaltende Verhandlungen über die Nachweise oder über die Auszahlungsbedingungen verhindert werden. Denn man wollte keine Anschuldigungen riskieren, in denen es hieß, dass sie das Problem auf „biologische“ Weise lösen wollten.
Wie wurde das Geld dann verteilt? Wie waren die Reaktionen der Opfer?
Die Stiftung hatte in den jeweiligen Ländern Partner. Die Chefs der jeweiligen Banken in den Ländern kümmerten sich teils selbst darum und schauten, ob alles nach dem Rechten ablief. Den Opfern wurde dann das Geld als Scheck übergeben. Im Großen und Ganzen verlief alles reibungslos.
Zur Kontrolle, ob das Geld auch wirklich angekommen war, verschickte die Stiftung 7000 Kontrollbriefe an die Opfer in 88 Ländern. Die Antwortbriefe waren sehr überraschend. Es gab zwar hier und da Beschwerden, dass es erstens zu wenig Geld war und dieses zweitens viel zu spät kam, aber die meisten waren positiv. Einige schickten ihren Scheck zurück und meinten, dass das Geld eher Bedürftigen geschickt werden sollte. Manche Erben behielten den Scheck, lösten ihn aber nicht ein, denn sie wollten ihn als Erinnerung behalten, als einen Beweis, dass ihre Eltern endlich gewürdigt wurden. Anderen Opfern half es auch mit ihren Mitmenschen darüber zu reden, was ihnen damals widerfahren ist.
Dennoch war es nur „eine Geste des guten Willens – und der Hoffnungslosigkeit.“15
[1] Vgl. Die Zeit, 13.Ausgabe vom 22.03.2007, Zitat von Michael Jansen,
Chef der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“.
[2] Vgl. http://www.zeitzeugen-dialog.de/download.php?id=21
[3] Vgl. Die Zeit, 13. Ausgabe vom 22.03.2007, Zitat von Helmut Kohl,
ehemaliger Bundeskanzler
[4] Vgl. Die Zeit, 13. Ausgabe vom 22.03.2007,
http://www.zeit.de/2007/13/Zwangsarbeit?page=4, S.1, Abschn.3
[5] Vgl. Die Zeit, 13. Ausgabe vom 22.03.2007, Zitat von Gerhard Schröder,
ehemaliger Bundeskanzler
[6] Vgl. Die Zeit, 13. Ausgabe vom 22.03.2007,
http://www.zeit.de/2007/13/Zwangsarbeit?page=4, S.2, Abschn.1
[7] Vgl. Die Zeit, 13. Ausgabe vom 22.03.2007,
http://www.zeit.de/2007/13/Zwangsarbeit?page=4, S.2, Abschn.3
[8] Vgl. Die Zeit, 13. Ausgabe vom 22.03.2007, Zitat von Wolfgang Gibowski,
damaliger Sprecher der Initiative
[9] Vgl. Die Zeit, 13. Ausgabe vom 22.03.2007,
http://www.zeit.de/2007/13/Zwangsarbeit?page=4, S.3, Abschn.6
[10] Vgl.http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/zwangsarbeit/antrag.jhtml?
rubrikenstyle=politik
[11] Vgl.http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/zwangsarbeit/antrag.jhtml?
rubrikenstyle=politik
[12] Vgl.http://www.wdr.de/themen/wirtschaft/zwangsarbeit/
antrag.jhtml?rubrikenstyle=politik
[13] Vgl. http://www.zeitzeugen-dialog.de/download.php?id=21 , genauer :
http://www.zeitzeugen-dialog.de/?id=39, Definition im Gesetz über die
Einrichtung der Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft“ von 1999
Aufsätze
Aufsatz Nr.1
Allgemeine Einführung & Hintergründe zur Zwangsarbeit
Aufsatz Nr. 2
Die Lebensbedingungen der polnischen Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft
Aufstatz Nr.3
Verweigerung, Flucht und Widerstand
Aufsatz Nr.4
Das Ende der Zwangsarbeit in Baden und dem Schwarzwald
Aufsatz Nr.5
Entschädigung der Zwangsarbeiter nach der Zeit des deutschen National- sozialismus